Digging deeper: kognitive Transformationsprozesse als Schlüssel zum nachhaltigen Erfolg
Meist kommen Kunden zu uns, weil sie auf einer Ebene besonders unzufrieden mit ihrem derzeitigen Zustand sind. Es kann der Körper sein, dessen Form den eigenen Ansprüchen nicht genügt oder Schmerzen, die sich immer wieder bemerkbar machen. Es können Gedanken sein, mit denen man sich nicht wohlfühlt oder Gefühle, die einen in der Selbstwirksamkeit blockieren. Das aktuelle Resultat ihrer Bemühungen weicht also vom Wunschzustand ab, der Vergleich zu anderen oder der eigenen Idealvorstellung erzeugt eine Unzufriedenheit. Zunächst mal ist Unzufriedenheit nichts Negatives, da sie eine Veränderung und Progression oft erst in Gang setzt. Sie ist der Grund, warum sich die Menschheit in vielen Bereichen weiterentwickelt hat, warum nach Lösungen für vorhandene Schwierigkeiten, Umstände und Zustände gesucht wurde. Frustrierend wird es nur dann, wenn sich die investierten Bemühungen und Energien als unverhältnismäßig hoch zum sichtbaren und spürbaren Zwischenergebnis zeigen oder sich gar überhaupt kein „return of investment“ verbuchen lässt. Eine neu integrierte Maßnahme als Strategie zur Transformation erfordert anfangs immer Überwindung und zusätzliche Energie, da wir zu einem erschreckend hohen Anteil unbewusst und automatisiert unseren Alltag verleben. Doch wenn wir es mit viel Mühe gerade mal schaffen, kleine bis keine Erfolge zustande zu bringen, wie lange werden wir dann ein anstrengendes Training, eine Diät oder einen Mindshift aufrecht erhalten können? Ist es folglich am Ende lediglich eine Frage der Disziplin, warum manche Menschen ihre Vorhaben ins Ziel bringen und andere in ihrer Selbstwirksamkeit scheitern?
Den Schwung der Unzufriedenheit nutzen und mit unseren Kompetenzen verlinken?
Es könnte so einfach sein: wir geben einen Trainingsplan vor oder trainieren den Klienten als Personal Trainer. Wenn dieser noch abnehmen möchte, empfehlen wir auf Basis eines kalorischen Defizits eine uns stimmig erscheinende Ernährungsform oder schreiben ihm einen genauen Plan, was genau er wann genau essen darf. Ist der Klient verstimmt und unzufrieden, geben wir ihm Ratschläge oder gar formelhafte, vorsatzbildende Affirmationen mit auf den Weg, um ihn zu motivieren und den Mindset in einen positiveren zu shiften. Nach allen uns zur Verfügung stehenden Erkenntnissen und Studien ist das ein sicherer Weg zum gewünschten Ergebnis, den wir mit bestem Wissen und Gewissen vertreten können.
Was macht unser Kunde, wenn wir nicht da sind?
Unsere Strategie ist also richtig, verständlich und im Optimalfall realistisch umsetzbar. Theoretisch. Doch wie sieht es in der praktischen Umsetzung im Alltag aus, in all den Stunden, in denen wir nicht beratend zur Seite stehen? Die Anwendung ist an sich nicht schwerer als wir denken, lediglich komplexer und mehrdimensionaler. Die ablaufenden Prozesse des menschlichen Systems verlaufen nicht linear und isoliert, sondern reagieren auf vielen Ebenen synergetisch und bidirektional, und um es noch drastischer zu formulieren: das menschliche Verhalten ist bis zu 95% vom Unterbewusstsein gesteuert. Das sind Gewohnheiten, Muster, Instinkte, Erfahrungswerte. Wir sind im Alltag häufiger Mitreisender unserer Gedanken und Handlungen, Reaktionen und Emotionen als wir glauben. Da stellt sich eben die Frage, ob wir wirklich so viel Einfluss mit meist nur 5% bewusstem Vorhaben erwarten können.
Wenn wir vor Ort oder in Kontakt sind und die Führung als Trainer übernehmen, haben wir einen direkten Einfluss auf unseren Kunden. Er hat sich die Zeit genommen und ist nicht abgelenkt von Alltagseinflüssen und Pflichten. Er ist präsent, fokussiert und übergibt uns vertrauensvoll die Verantwortung für den Ablauf der Stunde. Sobald wir jedoch die 5% Einfluss in unserer Abwesenheit ausweiten wollen, könnte ein erweitertes Verständnis der erforderlichen Prozesse in der Entscheidungsfindung und der resultierenden Handlungsabläufe von Nutzen sein, die der Klient dann selbstbestimmt, bewusst und autonom anwenden kann und auch muss.
Ist es so einfach, komplexe Prozesse willentlich zu steuern?
Jeder von uns, der bereits versucht hat, etwas nicht mehr zu tun, hat vermutlich ähnliche Erfahrungen gemacht. Es ist schwer, nicht an etwas zu denken, es dann nicht zu wollen. Kurzum, es geht nicht. Wir haben bereits unserem Unterbewusstsein mittels einer Vorstellung eine Richtung vorgegeben, auf die es zusteuert. Das Wort „nicht“ ist dabei niemals angekommen, da Worte ohne Bilder und Emotionen auf dieser Ebene nicht verstanden und aufgenommen werden können. Als Beispiel können wir uns einmal nicht eine Zitrone vorstellen. Wir stellen uns bitte nicht vor, wie wir in eine saftige Zitrone beißen. Auch nicht, wie sich der bittere Geschmack auf unserer Zunge breitmacht und sich alles zusammenzieht. Hat das geklappt? Und was genau ist noch passiert, während wir versucht haben, uns keine gelbe und saftige Zitrone vorzustellen? Ohne dass wir wesentlichen Einfluss auf innere Prozesse haben, hat die reine Vorstellung die Speichelbildung in Gang gesetzt. Unser Körper bereitet sich also zum einen mit erhöhter Produktion von alpha-Amylase auf die Verdauung vor und zum anderen sehen wir anhand dieses Beispiels, dass unser Unterbewusstsein scheinbar nur minimal unterscheiden kann, ob etwas real ist oder pure Imagination. Das Gleiche erleben wir im Alltag auch jedes Mal, wenn wir durch unbewusste Sinneseindrücke und Reize an Gerichte und Lebensmittel erinnert werden.
Ähnliches geschieht, wenn wir uns eine anstrengende Trainingseinheit vorstellen, in der wir vielleicht kläglich gescheitert sind oder uns richtig übel war, wir uns unfähig fühlten oder gar beschämt. Das ist für uns vermutlich schwieriger, da wir in der Regel viel mehr positive Assoziationen mit dem eigenen Training haben, als unser Kunde. Doch aus seiner Sicht ist es zunächst mal eine ungewohnte Qual. Wir – der sportliche Trainer oder Coach – schlagen vor, sich im Alltag öfter zu bewegen. Wir selbst empfinden bei der Vorstellung Freude, Spaß und das tolle Gefühl danach und würden vor Begeisterung am liebsten selbst gleich losrennen. Unser Kunde denkt an den Cooper-Test in der Schule und ihm wird sofort übel (95%). Trotzdem lässt er sich kognitiv (5%) überzeugen, dass Bewegung förderlich für den Stressabbau, die Rückenthematik, die Nackenverspannungen, den erholsamen Schlaf, die generelle Hormonsituation, die Gewichtsregulation, verringerte Heißhungerattacken und psychische Belastbarkeit im Berufsalltag sei. Das reicht durchaus aus, um ihn vielleicht mit neuem Schuhwerk (advanced-Manipulation) zu einer selbstständigen Laufeinheit durch den Park zu motivieren. Nach unserem Wissensstand müssten es schon mindestens 20 Min sein, damit die Lipolyse überhaupt in Gang gesetzt wird, vielleicht mit Pulsangabe (advanced-Monitoring). Unser Kunde, sagen wir ein sehr erfolgreicher und angesehener Manager in seiner Branche, läuft also zum vereinbarten Termin (advanced-Planung) beherzt los. Die ersten 2 Minuten verlaufen unproblematisch, er ist froh über sein diszipliniertes Verhalten und stellt sich vielleicht vor, wie er zeitnah die ersten Erfolge verbuchen wird, wenn er nur effizienter, schneller, weiter rennt. Ab Minute 3 fangen die ersten Beschwerden an, aber ohne Fleiß kein Preis und man ist ja hart im Nehmen. Dann geht der Puls hoch, der Rücken tut weh, der Bauch stört, er fühlt sich schwer und die neonfarbigen Schuhe fallen ganz schön auf. Langsam wird es peinlich und unser Manager schleppt sich frustriert nach Hause. Alkohol haben wir ihm im Übrigen auch gestrichen, also KEIN Alkohol… Er fühlt sich alt und unfit. Wie ein Versager: nichtmal 20 Minuten am Stück laufen könne er, und das soll man jetzt mindestens 3 Mal die Woche machen. Ist eigentlich noch Gin im Kühlschrank? Und wir halten fest: es handelt sich hier um einen High-Performer, der im beruflichen Umfeld eine unglaubliche Disziplin und einen unermüdlichen Ehrgeiz an den Tag legt. Weil er es kann. Und weil er das weiß. Im beruflichen Setting kann er sich auch auf eine Reihe von positiven Erfahrungen berufen, in der privaten Lebensführung fehlt ihm das. Noch.
Sind Erfolge reiner Zufall?
Lottogewinner kehren nach wenigen Jahren zu ihrer finanziellen Ausgangslage zurück oder unterbieten diese. Ende der Geschichte. Ein erfolgreicher Unternehmer, der viel Geld durch Fehlinvestitionen verliert, findet nach einiger Zeit einen Weg, das fehlende Geld oder noch mehr zu generieren. Immer wieder. Das Geld sowie die jeweilige Ausgangslage als Millionäre sind äquivalent. Wo liegt dann der Unterschied?
Der Unternehmer hat im Laufe einer bestimmten Zeit aus seinen Erfahrungen, Ritualen und Gewohnheiten die besagten Millionen Euro generiert. Er war im Prozess aktiv dabei und wenn auch einige Zufälle zu einer günstigeren Situation geführt haben, so wird er immer abrufen können, wie er zum Ergebnis gekommen ist. Er ist sich auch im Nachgang bewusst, welche Entscheidungen und Einstellungen bezüglich seiner Arbeit und seiner Lebensführung erforderlich waren, um den Fokus auf eine Idee zu richten. Sein Verhalten hat sich mit der Zeit verändert, an vielen Herausforderungen ist er gewachsen, und an das Arbeitspensum und dessen Intensität hat er sich gewöhnt. Nach vielen Jahren erst ist das Ergebnis eingetreten, quasi als Nebeneffekt. Wir können diesen Prozess schlichtweg nicht außer Acht lassen, wenn wir ein anderes Ergebnis erzielen wollen. Wir können nicht darauf hoffen, dass unsere Gewohnheiten sich einfach ändern werden, nur weil wir eine Progression wollen. Der Wille und die Disziplin alleine reichen schlichtweg nicht aus, um 95% unserer gewohnten Pfade zu umgehen. Wir brauchen mehr als das. Wir müssen umdenken und umlenken, üben und immer wieder anwenden, und dort ansetzen wo alles beginnt.
Erforderliche Schritte zum nachhaltigen Erfolg
Im Folgenden werden drei Schritte vorgestellt, die uns dabei helfen können, ein wenig Überblick im Irrgarten unserer tiefer liegenden Motivationen und Entscheidungen zu gewinnen. Diese basieren im Wesentlichen auf der These, dass unbewusste Antriebe und Prozesse alleine schon deshalb so viel stärker sind, weil sie unbemerkt ablaufen können. Sobald wir diese aufspüren und enttarnen, verlieren sie ihre Macht und wir können uns wieder umsetzen: auf den Fahrersitz.
- Schritt: Observation – „Was genau mache ich da eigentlich gerade?“
Der Grund, warum empirische Versuchsreihen bezüglich des Essverhaltens per se manipuliert sind liegt genau an folgendem Punkt: Der Proband verändert seine unbewussten Essgewohnheiten bereits automatisch dadurch, dass er diese zum Zweck des Versuchs dokumentieren muss. Um die eingenommenen Mahlzeiten aufzuschreiben, muss er sich diese zunächst bewusster machen. Hinzu kommen zuvor nicht vorhandene Emotionen wie beispielsweise Scham, die ihn in seinen Entscheidungen beeinflussen. In der Praxis der Ernährungsberatung geschieht es häufig, dass sich das Essverhalten im Zeitraum des Monitorings tatsächlich zum Positiven verändert und wir bei der Auswertung erstaunt feststellen: unser Kunde isst wirklich nicht so viel und vielleicht sogar ziemlich gesund. Warum nimmt er da nicht ab? Vielleicht stimmt etwas nicht mit seinem Stoffwechsel, mit der Schilddrüse, liegt es am Dauerstress oder an Unverträglichkeiten?
Wir können den Effekt der erhöhten Aufmerksamkeit demnach sinnvoll nutzen, wenn wir automatisierte Muster brechen wollen, um in Zukunft bessere und nachhaltige Resultate erzielen zu können. Der Perspektivwechsel von unbewusst ablaufenden Programmen in eine bewusste Wahrnehmung als „Observer“ ist in jedem Fall erforderlich, um generell selbstwirksamer in der Handlungskompetenz zu werden. Dieser Wechsel vom Beifahrer- auf den Fahrersitz ist ein übendes Verfahren, dass es genauso zu trainieren gilt wie beispielsweise eine sauber ausgeführte Kniebeuge.
Warum ist diese Fertigkeit die Basis für einen Transformationsprozess? Können wir nicht einfach das, was wir getan haben und gerade tun stehen lassen und neue Wege gehen? Wir müssen uns doch einfach nur in den Hintern treten, Disziplin haben, uns positiv motivieren und dann immer weiter dranbleiben.
Es reicht nicht, und schon gar nicht über einen langen Zeitraum hinweg, oder die ersten Krisen oder Stresssituationen, die das Leben und der Alltag so mit sich bringen. Solange wir unser bisheriges Verhalten nicht verstanden haben, können wir es schlichtweg nicht verändern. Denn eines ist klar: unser System mit all seinen Zusammenhängen sämtlicher ablaufenden Prozesse ist in erster Linie dazu da, unser Überleben zu sichern. Zur Not entwickeln wir Schutzmuster, um eine effizientere Strategie für eine immer wiederkehrende Gefahr zur Verfügung zu haben. (What fires together, wires together). Das kann eine schlechte Gewohnheit sein wie Alkoholkunsum oder das Rauchen, das uns zwar schadet (Bewusstsein), im Stressmoment aber für eine Beruhigung unseres Nervensystems sorgt und unsere subjektive Wahrnehmung der Gefahr eindämmt (Unterbewusstsein: die Verbindung unseres ersten und stärksten lebensrettenden Musters liegt nahe: als Neugeborene hing unser Leben davon ab, ob wir gestillt worden sind oder nicht. Da wir dabei gehalten worden sind, ist auch die Verknüpfung von Nähe, oraler Mechanik und Sättigung abgespeichert.) Das bedeutet, aus einer anderen Perspektive macht alles Sinn, was wir bisher getan oder nicht getan haben. Wir müssen es lediglich nachvollziehen können, um dann in der Gegenwart bessere Entscheidungen zu treffen, eine Situation bewusster interpretieren und bewerten zu können, was dann wiederum andere Hormone und damit Gefühlszustände erzeugt und uns somit anders handeln lässt. Alternativ können wir auch weiter versuchen, mit Disziplin, Restriktion und strikten Regeln direkt Einfluss auf unsere Handlungen zu nehmen. Oder aber wir gehen nach der bewussteren Wahrnehmung unserer tatsächlichen Handlungsabläufe weiter in die Erkundung unserer zugrunde liegenden Bedürfnisse.
In diesem ersten Schritt geht es konkret darum, den Ist-Zustand im Alltag aktiver zu observieren. Wir müssen hinsehen, was wir da genau tun, und zwar immer. Es sind die kleinen Entscheidungen und darauffolgenden Handlungen, die in Summe ein Ergebnis nach sich ziehen und nicht die Momente, in denen wir willentlich an unsere Transformationswünsche denken.
„Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu belassen und zu hoffen, dass sich etwas ändert.“ (A. Einstein)
- Schritt: Decodierung – „Warum mache ich das, was ich mache?“
Nachdem wir durch das reine Observieren der vielen kleinen Handlungen bereits eine Unterbrechung der sonst automatisch ablaufenden Prozesse impliziert haben, können wir im nächsten Schritt eine Etage tiefer in unsere unbewussten Vorgänge eintauchen und somit in künftig noch mehr Kontrolle zurück erlangen. Wie bereits erwähnt, haben sich unsere Muster und Gewohnheiten aus einem Bedarf oder Bedürfnis heraus gebildet und als Maßnahme eingebrannt.
Um nun auf dem Fahrersitz das Auto sicher durch den Straßenverkehr zu manövrieren, müssen wir uns sowohl mit dem Fahrzeug und dessen Steuerbarkeit sowie den Verkehrsregeln auseinandersetzen. Auch hierbei ist zu berücksichtigen, dass die meisten von uns erstmal ungeübt in der Wahrnehmung sowie dem sinnvollen Coping von Emotionen und Stress starten. Wenn es so einfach und kommod wäre, hätte man keine Strategien und Verhaltensweisen entwickeln müssen, die uns zwar ein reibungsloseres Funktionieren in vielen Bereichen ermöglicht haben, jedoch langfristig körperlich oder emotional zu unerwünschten Nebeneffekten geführt haben. Es ist unrealistisch zu hoffen, dass unsere Bedürfnisse in Zukunft nicht mehr da sein werden oder wir plötzlich Geschehnisse oder das Verhalten anderer nur noch zu unseren Gunsten interpretieren. Höchst unwahrscheinlich ist auch, dass unsere Gedanken keinen Einfluss mehr auf unsere Gefühle und Handlungen haben oder dass das Nervensystem nicht auf neue und besonders alte Reize (z.B. Trigger) reagiert. Wir kommen ergo nicht umhin, zunächst mit dem zu arbeiten, was aktuell da ist. Es geht auch in diesem Schritt des Learnings darum, uns erst einmal anzuschauen und uns so immer mehr darüber bewusst zu werden, was in uns vorgeht und was uns tatsächlich antreibt. Im besten Fall hinterfragen wir die Wirksamkeit unserer bisherigen automatisierten Strategie und stellen möglicherweise fest, dass sie nicht besonders lösungsorientiert für das Problem ist. Wenn wir beispielsweise wütend sind, handelt es sich hierbei um einen Impuls, angestaute Energie aus unserem System zu befördern. Sollte unsere bisherige Strategie nun aber daraus bestehen, den Ärger mit Essen oder Alkohol hinunterzuschlucken und uns somit erstmal zu betäuben, haben wir uns mit noch mehr Energie versorgt und mit den Inhaltsstoffen belastet. Ganz zu schweigen davon, dass die Ursache der Wut nicht behoben wurde und aktuell nicht behoben werden kann, da der Organismus mit dem Abbau und Umbau der Inhaltsstoffe beschäftigt ist und dies Vorrang hat. So werden im Übrigen auch die Hirnareale inhibitiert, die uns eine wertvolle Lösung bereitstellen könnten.
Die meisten von uns verwenden mittlerweile für die Vielzahl der unterschiedlichen Gefühle und Empfindungen einen generalisierenden Begriff, der gesellschaftlich durchaus akzeptabel erscheint: wir haben sogenannten „Stress“. Darunter fällt alles, was in irgendeiner Weise unangenehm erscheint und uns im reibungslosen Funktionieren nach unseren Vorstellungen stört und ablenkt. Doch genau hier läge der Schlüssel: wenn jede Emotion einer völlig unterschiedlichen Auflösung bedürfte, könnten wir unmittelbar ein passendes Ventil oder eine Befriedigung implementieren und wären auf direktem Wege wieder effizient maximal leistungsfähig. Wir könnten schnelle und einfach umsetzbare Maßnahmen ergreifen, die zum einen eine direkte Wirkung hätten und uns zum anderen davor bewahren würden, „den ganzen Stress“ mit nach Hause zu nehmen. All die ignorierten und unverarbeiteten Gefühle haben sich nach einiger Zeit zu einem Eintopf verkocht, der später auf der Couch nicht mehr identifizierbar oder gar genießbar ist und so fällt uns ad hoc nicht mehr ein, wie wir diesen eliminieren sollen. Da denkt unser Manager beispielsweise direkt an Gin. Warum verwenden wir keine einfachen Maßnahmen wie beispielsweise das tiefere Ausatmen, es wäre doch so viel logischer? Das ist uns jetzt im Moment bewusst und hat dann in der Situation einen Impact von etwa… 5%. Wir haben es schlichtweg verlernt.
„Die Menschheit hat zwar kollektiv ihre materielle Leistungsfähigkeit vertausendfacht, ist aber dabei nicht viel weiter vorangekommen, den Gehalt ihrer eigenen Erfahrungen zu kultivieren.“ (Mihaly Csikszentmihalyi)
- Schritt: Rekonditionierung – „Was kann ich stattdessen tun?“
Mittlerweile haben wir eine ungefähre Ahnung, dass wir Gas und Bremse bedienen können, Signale senden können und vielleicht haben wir bereits eine Adresse im Navigationssystem eingegeben. Als nächstes müssen wir die Theorie anwenden und das Fahren üben. Besonders erschwerend kommt jedoch hinzu, dass sich noch alte automatisierte Programme in unserem System befinden, die autonom und unbewusst reagieren. Wir müssen auch das überschreiben, was wir teils über viele Jahrzehnte manifestiert haben. Um eine realistische Chance zu haben, benötigen wir demnach eine möglichst hohe Frequentierung oder zumindest eine möglichst hohe Wiederholungsschlagzahl, bis sich ein neues Programm durchsetzen kann sowie positive und verstärkende Erfahrungswerte, die wiederum die Wahrscheinlichkeit in der Auswahl der neuen Anwendung erhöhen.
Welche Voraussetzungen sollte eine neu integrierte Maßnahme demnach erfüllen? Im Grunde sind nach dem Überleben (Existenzsicherung und Risikovermeidung) zwei wesentliche Antriebe in uns besonders stark: zum einen möchte der Mensch Leid vermeiden und zum anderen Lust empfinden. Dies sollten wir individuell berücksichtigen, um eine möglichst wahrscheinliche und häufige Repetition zu gewährleisten. Zudem sollte die Maßnahme strategisch relevant für das Ziel sein, um möglichst schnelle und sichtbare Ergebnisse zu erzielen, die wiederum motivieren. In Anbetracht dieser Komplexität wird klar, warum sich selbst das Finden einer Maßnahme als Prozess entpuppen kann, aber auch warum wir mit allgemeingültigen Strategien wie der Umsetzung eines Diätplans bisher langfristig gescheitert sind.
Mögliche Maßnahmen könnten mehrdimensional folgenderweise aussehen: Der automatische Griff zum Kühlschrank oder die Keksdose wird wahrgenommen (Observation), als Intervention stellt man sich die Frage: „was brauche ich gerade? Wie fühle ich mich? Bin ich gestresst?“ (Decodierung) und da wir ungeübt sind und noch kein direktes Gefühl identifizieren können, nutzen wir ein allgemein wirksames Mittel: die Zeit. Wir verschaffen uns Zeit, in dem wir uns erstmal bequeme Schuhe anziehen und spazieren gehen. Wir haben so nicht nur ein automatisiertes Muster durchbrochen, sondern haben unseren angestauten Stressimpulsen ein Ventil gegeben und unser System entladen. Zu Beginn geht es nur um die Anwendung, so dass bereits fünf Minuten täglich als Rekonditionierung ausreichen. Zwar haben wir für den Moment noch kein Fett verbrannt oder das Herzkreislaufsystem trainiert, jedoch eine unnötige Kalorienaufnahme blockiert und vielleicht einen zwischenmenschlichen Konflikt vermieden. Zudem stellen wir nach einiger Zeit fest, dass wir durchaus selbstwirksam „Stress“ (s.o.) abbauen können, sich die Schlafqualität verbessert und sogar Heißhunger reduziert wird.
„Erfolg ist die Fähigkeit, von einem Misserfolg zum anderen zu gehen, ohne seine Begeisterung zu verlieren“ (W. Churchill)
Zurück zu unserem Manager: ohne eine Rekonditionierung mit progressivem Aufbau hatte er lediglich die früheren Erfahrungen des Schulsports und die neuen Erfahrungen mit seinem gescheiterten Laufversuch in seiner Erinnerung gespeichert und war mit schätzungsweise 95% Unterbewusstsein im Widerstand. Wenn dieser sich jedoch durch Repetition an das 5-minütige Gehen gewöhnt und positive Erfahrungen in seiner Kompetenz und seinem Befinden macht, können wir seinen unbewussten Widerstand um ein vielfaches abbauen, wodurch sich die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöht, dass es zu einer Gewohnheit wird und automatisierter umgesetzt wird. Beim abendlichen Stress reagiert sein System dann nicht mehr unbewusst mit dem Bedürfnis nach Alkohol, sondern er wird erstmal eine Runde laufen gehen. Aus anfänglichen 5 Minuten kann man über die Zeit ein passables Training mit all den bekannten Vorteilen und Nebeneffekten ausbauen. Mehrdimensional und holistisch gesehen würden sich daraus immer mehr gesunde Entscheidungen in seiner privaten Lebensführung ergeben, die dann unweigerlich zu neuen Gewohnheiten, einem neuen Lebensstil und mit hoher Wahrscheinlichkeit besseren Ergebnissen auf körperlicher, geistiger und emotionaler Ebene führen.
Fazit:
Erfolge sind kein Zufall. Wenn es um Erfolge und Ziele geht, müssen wir vermutlich umdenken. Wir können ein entstandenes aktuelles Ergebnis nicht mehr ändern. Wir können das Eintreten eines Wunsches nicht direkt kontrollieren (zB Ich will abnehmen). Worauf wir aber Einfluss haben, ist die Entstehung durch unsere Handlungen. Doch auch diese können wir nicht direkt kontrollieren. Wir müssen an die Wurzel, und das sind unsere Gedanken und Gefühle. Wenn wir dort ansetzen und unsere Energie investieren, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich das gewünschte Ergebnis manifestiert. Und diese wiederum bestimmt sich durch die Frequentierung in der Umsetzung. Im Prinzip strategisch relativ einfach, sofern wir aufhören Bullshitbingo (wahlweise einsatzbar: Lotto) zu spielen und anfangen, in der Steuerbarkeit unseres Erfolges auf unser unternehmerisches Potential in der Lebensführung zu setzen.